Crowdworker-Profil: Rochelle

Byadmin

April 30, 2017

Unsere Reihe von Crowdworker-Profilen wird durch Rochelle eröffnet. Sie lebt in Los Angeles und auf Twitter, als @Rochelle. Sie arbeitet auf Amazons Plattform Mechanical Turk, außerdem ist sie Miteigentümerin und Moderatorin eines öffentlichen Forums für Beschäftigte und Requester von Mechanical Turk namens MTurkCrowd.com.

Wie hast du von Mechanical Turk gehört?

Ich habe 2007 das erste Mal von der Plattform gehört, von einem Freund, der eine Technologiekonferenz besucht hatte, auf der Amazon Mechanical Turk vorstellte. Er erzählte mir später im Gespräch davon und es klang interessant. Also habe ich mich angemeldet, um das mal auszuprobieren.

Ich habe im Juli 2007 angefangen. Damals erschien mir das als gutes Mittel zu einem kleinen Zuverdienst, ergänzend zu dem, was ich über meinen Vollzeitjob verdiente.

 

Was gefällt dir an der Arbeit auf der Mechanical Turk Plattform?

Mir gefällt, dass ich mir meine Arbeit selbst aussuchen kann. Die Plattform teilt mir keine Aufgaben zu und zwingt mich auch nicht, Aufgaben zu erledigen, die mir nicht zusagen. Ich kann stöbern, was so im Angebot ist, und dann selbst entscheiden, woran ich arbeiten möchte und woran nicht.

 

Welche Art von Arbeit erledigst du auf Mechanical Turk?

Auf Mechanical Turk gibt es Aufgaben aller Art. Ein typischer Tag könnte akademische und Marktforschungsumfragen, die Kennzeichnung von Bildern, Inhaltsverwaltung, Sentiment-Analyse von Texten, Online-Recherchen und vieles mehr beinhalten.

 

Welche Art von Arbeit gefällt dir am besten?

Meine liebste Art von Aufgaben sind die, bei denen ich in einen gewohnten Ablauf komme. Das sind meistens große Aufgabenbündel, zum Beispiel online Email-Adressen recherchieren oder Textschnipsel bestimmten Kategorien zuordnen. Ich fühle mich dann am produktivsten, wenn ich ein solchs Bündel finden und mich da stetig durcharbeiten kann.

 

Welche Art von Arbeit gefällt dir nicht?

Ich vermeide Aufgaben, die kreatives Schreiben erfordern, zum Beispiel das Verfassen von Blog-Einträgen zu einem bestimmten Thema. Das ist oft sehr subjektiv, weil du dir ja nie ganz sicher sein kannst, dass dem Requester gefallen wird, was du geschrieben hast, und dass er es akzeptieren wird. Ich vermeide auch Aufgaben, die unterbezahlt sind, ganz gleich, um welche Art von Arbeit es sich handelt.

 

Was würdest du an der Arbeit auf Mechanical Turk gern ändern?

Mechanical Turk verlangt von Requestern nicht, dass sie den Beschäftigten eine Mindestvergütung bieten, wenn sie eine Aufgabe posten. Sie können einfach nur einen Cent zahlen. Ich würde mir wünschen, dass es die Auflage gäbe, dass Requester fairer bezahlen müssen. Oft genügt es schon, die Requester über die Plattform zu informieren und zu erklären, warum es wichtig ist, fair zu bezahlen. Amazon tut das nicht, und so bleibt es den Beschäftigten überlassen, individuell neue Requester ausfindig zu machen, sie zu kontaktieren und mit ihnen diese Fragen zu besprechen. Das bedeutet für die Beschäftigten zusätzliche, unbezahlte Arbeit. Es wäre wirklich hilfreich, wenn Amazon diese Rolle übernehmen und den Requestern bessere Informationen und Unterstützung beim Posten ihrer Jobs bieten würde.

Screenshot des HIT-Such-Tools, das Rochelle benutzt, um die besten Aufgaben zu finden, die Beschäftigten auf Mechanical Turk gerade angeboten werden. Dieses Tool ist teil von Mturk Suite, abrufbar unter
mturksuite.com.

 

Welche Profitipps hast du für Beschäftigte, die gerade damit anfangen, auf Mechanical Turk zu arbeiten?

Mein Tipp Nummer eins ist, einem Beschäftigtenforum beizutreten! Auch wenn neue Beschäftigte anfangs nicht gern fragen stellen – schon das bloße Durchlesen früherer Diskussionen und Verfolgen der täglichen Threads bietet ihnen, und zwar alten wie neuen Beschäftigten, so viele Informationen über die Arbeit auf der Plattform. Die kollegiale Unterstützung in den Beschäftigtenforen ist unglaublich und ich würde Beschäftigten sehr dazu raten, sie zu nutzen.  MTurkCrowd.com ist ein gutes Forum zum anfangen.

 

Hast du irgendwelche Ratschläge für Personen, für die Crowdwork insgesamt neu ist, auch über Mechanical Turk hinaus?

Ich würde ihnen raten, realistisch zu sein. Wir sprechen oft mit neuen Beschäftigten, die aus Medienbeiträgen oder von Freunden gehört habe, Crowdwork bedeute schnelles, leicht verdientes Geld. Sie fangen an, stellen fest, dass dem nicht so ist, und sind dann entmutigt. Um auf einer Crowdwork-Plattform erfolgreich zu sein, braucht es viel Zeit, Mühe und Arbeit. Es gibt eine ziemliche Lernkurve. Ich würde neue Leute daran erinnern, dass sie ihre Erwartungen in Zaum halten sollten.

 

Was ist deiner Ansicht nach das größte Problem, vor dem Crowdworker heute stehen?

Ein aus meiner Sicht frappierendes Problem ist die Unkenntnis seitens von Menschen, die nicht in diesem Bereich arbeiten, und die nicht wissen, dass es Crowdwork überhaupt gibt. Die Leute scrollen durch die Feeds in ihren sozialen Netzwerken und begreifen nicht, dass Crowdworker diese Feeds bereits durchgesehen und anstößige Inhalte entfernt haben. Es gibt Beschäftigte, die sich Youtube-Videos ansehen, sie kategorisieren und ordnen, bevor du auf Youtube gehst und dir diese Videos ansiehst. So vieles im Internet beruht auf der Arbeit von Crowdworkern, die oft unterbezahlt und stets verkannt sind. Wenn Crowdwork für den alltäglichen Online-Nutzer sichtbarer wäre, dann würden sich vielleicht die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung von Crowdworkern verbessern.

 

Glaubst du, Crowdworker könnten aus Gewerkschaften einen Nutzen ziehen? Welche Erwartungen hättest du an eine Gewerkschaft?

Ich glaube, eine kollektive Organisation wäre für Crowdworker vorteilhaft. Sie würde aber vielleicht anders aussehen als eine traditionelle Gewerkschaftsstruktur, aufgrund des diffusen Charakters von Crowdwork. Es wäre ein gewisser kreativer Aufwand erforderlich, um Beschäftigte zu kontaktieren und zu organisieren, die alle in ihren Wohnungen und Büros sitzen, ohne Möglichkeit, sich gegenseitig zu kontaktieren. Ich stelle mir vor, dass eine Crowdworker-Gewerkschaft ganz ähnliche Dienstleistungen erbringen würde wie wir das in den Foren tun: Die Grundsätze bestimmter Plattformen erklären, Fragen beantworten, Unterstützung anbieten, von Beschäftigten zu bestimmten Themen verfasste Ratgeber weitergeben. Gäbe es ein organiertes Gremium, das auf Requester zugehen könnte, die Beschäftigte schlecht behandeln, dann wäre das wahrscheinlich auch wirksamer als der gegenwärtige Umgang damit, dass nämlich die Beschäftigten solche Requester einzeln ansprechen.

 

Hast du Ratschläge an Gewerkschafter oder politische Entscheidungsträger, wie sich Crowdwork verbessern ließe?

Ich glaube, dass einige der früheren Bemühungen um die Organisierung von Beschäftigten bei Mechanical Turk nur begrenzt erfolgreich waren, etwa Dynamo, Turkopticon; das gilt auch für die Bemühungen von Beschäftigten, die sich in Foren miteinander verständigen. Mir würde es gefallen, wenn Gewerkschafter und politische Entscheidungsträger Projekte dieser Art ausweiten und eine umfassendere Organisierung der Beschäftigten fördern würden. Ich würde mir wünschen, dass die Entscheidungsträger dabei die Beschäftigten in den Vordergrund stellen und also nicht nur deren Input anstreben, sondern eine Dialogsituation, in der die Beschäftigten bei der Entscheidungsfindung federführend sind.

 

Möchtest du der FairCrowdWork-Community noch irgendetwas anderes mitteilen?

Ich würde alle, die sich für Mechanical Turk oder Crowdwork im Allgemeinen interessieren, dazu ermutigen, mit den Beschäftigten zu sprechen! Erfahrene Beschäftigte sind eure beste Informationsquelle.

Aus dem Englischen von Max Henninger